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Die Forschungsgruppe

Im Oktober 2014 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Projekt „Vermarktung von Produkte im Kontext digitaler sozialer Medien“ erstmals eine rein betriebswirtschaftliche Forschergruppe bewilligt und gefördert. Diese Förderung wurde im September 2017 um weitere 3 Jahre verlängert.

Die DFG-Forschungsgruppe setzt sich aus renommierten Forscherinnen und Forschern der Universität Hamburg, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Universität zu Köln und der Kühne Logistics University zusammen.
Ferner sind als „International Fellows“ renommierte Kolleginnen und Kollegen von der Columbia Business School, der Penn State University, der Cornell University (alle USA) und der IDC Herzliya (Israel) sowie der London Business School Teil der Gruppe.

Das Projekt

Die Forschergruppe behandelt zentrale wissenschaftliche Fragestellungen der Vermarktunghedonischer Medienprodukte (HMP) im Kontext digitaler sozialer Medien (DSM). HMP, wie z. B. Bücher, Computerspiele, Filme oder Musik, haben eine herausragende ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung. Bei diesen Produkten spielen soziale Interaktionen eine besonders große Rolle. So sind Konsumenten bei HMP auf Interaktionen mit anderen Nachfragern angewiesen, u. a. weil sich die Produktqualität aufgrund des Erfahrungsgutcharakters vor dem Konsum nur schlecht beurteilen lässt und Geltungskonsum bei HMP besonders ausgeprägt ist.

DSM, wie z. B. Facebook, Twitter, Spotify oder YouTube, beeinflussen zunehmend das Verhalten von Konsumenten. Es entsteht eine neue Qualität von Prozessen insbesondere dahingehend, dass sich Informationen schneller verbreiten, eine breitere Zielgruppe erreichen und auch zu Personen gelangen, zu denen der Sender nur schwache Beziehungen hat. Konsumenten werden bei der Präferenzbildung stärker durch ihre soziale Umwelt und andere Konsumenten beeinflusst, sodass sie in der Beziehung zu Unternehmen mehr Macht erlangen. Dies erfordert insbesondere neue Formen der Kommunikation von Unternehmen. DSM führen zudem zu neuartigen Daten über soziale Interaktionen.

Die neuartigen Prozesse und Daten haben Konsequenzen für die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen, die bislang nicht hinreichend untersucht wurden und im Mittelpunkt dieser Forschergruppe stehen.

1. Förderphase – Vermarktung hedonischer Medienprodukte im Kontext digitaler sozialer Medien

Dabei konzentriert sich die Gruppe in der ersten beantragten Förderphase auf den ökonomisch und gesellschaftlich bedeutenden Bereich von HMP.

Das Ziel der Forschergruppe ist es, ein fundiertes wissenschaftliches Verständnis von drei miteinander verbundenen Themenfeldern auf einem Kontinuum von „Verstehen“ bis „Anwenden“ zu schaffen. Es werden zum einen Netzwerkstrukturen in DSM untersucht. Es geht darum, die Strukturen explizit zu modellieren und zu verstehen, wie Interaktionen entstehen. Außerdem werden Konsumentenreaktionen auf die Kommunikation in DSM untersucht, d. h. es wird analysiert, wie Einzelne von der Gesamtaktivität im Netzwerk beeinflusst werden. Auch werden Marktreaktionen auf Marketingaktivitäten im Kontext von DSM behandelt.

Analyse von Netzwerken zur gezielten Marketingkommunikation

(Detlef Schoder, Christian Barrot, Sönke Albers)

Im Rahmen des Teilprojekts soll Word-of-Mouth in digitalen sozialen Medien (dsWOM) sowohl auf dyadischer Ebene als auch auf der Ebene des Gesamtnetzwerks analysiert und quantifiziert werden. Auf dieser Basis werden dann Möglichkeiten zu dessen aktiver Steuerung durch Anbieter hedonischer Medienprodukte identifiziert, um zum Beispiel die Wirkung von Kommunikationskampagnen mittels dsWOM zu verstärken.

Mit Hilfe vorliegender Daten zu Kommunikationsnetzwerken werden Simulationsmodelle entwickelt, welche die reale Diffusion von Informationen in Netzwerken abbilden und gleichzeitig eine umfassende Analyse der Effekte unterschiedlicher Netzwerkstrukturen erlauben. Ein besonderer Fokus liegt auf der Reichweite von dsWOM-Botschaften und der Effizienz ihrer Verbreitung. Die Analyse umfasst die explizite Betrachtung dyadischer Beziehungen, wobei durch Feldexperimente und die ex-post-Analyse von Bestandsdaten relevante Kennzahlen für die „Beziehungsstärke“ entwickelt werden. Die Erkenntnisse zu den Effekten von Netzwerkstrukturen und dyadischen Beziehungsstärken dienen als Grundlage für die Entwicklung von Multi-Agenten-Systemen, mit deren Hilfe realitätsnahe Simulationsmodelle zur dsWOM-Verbreitung aufgestellt werden können und sich (nah-)optimale Strategien zur Beeinflussung dieser Kommunikationsprozesse in der Praxis ableiten lassen.

Aufbau und Gestaltung von Netzwerken durch Anbieter

(Mark Heitmann, Sönke Albers, Detlef Schoder, Christian Barrot)

Der langfristige ökonomische Wert bestehender sozialer Kundennetzwerke soll empirisch-quantitativ bewertet werden. Dabei wird die Entwicklung von Kundennetzwerken hinsichtlich der Netzwerkstruktur (u.a., Netzwerkumfang, Ausmaß der Vernetzung der Mitglieder) und der Netzwerkkommunikation (u. a. Inhalt und Umfang der Kommunikation) über die Zeit analysiert. Im Detail, werden im Rahmen des Projektes die Zusammenhänge zwischen Firmenkommunikation (u.a., Umfang und Inhalt, Länge von Postings), Netzwerkaktivitäten (u.a., Updates der Social Network Seite, Freundschaftsanfragen), Netzwerkbuzz (Volumen der Konsumentenkommunikation) als auch Netzwerkstrukturen (u.a., Netzwerkgröße, Dichte, Zentralität) näher analysiert um anschließend den integrativen Einfluss auf den Online-Erfolg (Konsumentennachfrage) aufzuzeigen.

Das entwickelte empirische Forschungsmodell trägt den kurz- und langfristigen Effekten unternehmerischer Aktivitäten Rechnung und erlaubt es, das Zusammenspiel der genannten Größen zu quantifizieren. Die Ergebnisse ermöglichen Aussagen zur optimalen Ausgestaltung von Netzwerkaktivitäten in digitalen sozialen Medien. Unternehmen sollen in die Lage versetzt werden, Netzwerkwachstum zu beschleunigen, die Loyalität zum Netzwerk zu stärken und die kurz- und langfristige Nachfrage nach HMP zu befördern.

2. Förderungsphase – Datafication von Digital Social Media

In der ersten Förderphase lag ein besonderer Fokus auf hedonischen Medienprodukten (z. B. Games, Filme, Musik und Bücher), der in der zweiten Förderphase erweitert wird, u. a. um das Phänomen "Datafication" (zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche und damit verbundene große Datenmengen). In sechs Teilprojekten werden beispielsweise visuelle Markenpräsenzen sowie New Produkt Buzz in digitalen sozialen Medien untersucht.

Needmining – Analyse von sozialen Netzwerken zur gezielten Steuerung von Produktenwicklungen

(Christian Barrot, Detlef Schoder, Mark Heitmann, Thorsten Hennig-Thurau)

Lag der Fokus in der ersten Förderphase darauf, soziale Netzwerke nach der Markteinführung für die Verbreitung eines Produktes zu nutzen, soll nun in der zweiten Förderphase die Blickrichtung auf die Zeit vor der Markteinführung gelegt und untersucht werden, wie man DSM für die Ideation und Produktentwicklung heranziehen kann.
Verkürzte Produkt- und Technologielebenszyklen zwingen Unternehmen dazu, dem Markt stetig neue Produkt- und Serviceangebote bieten zu müssen. Dies ist jedoch kein Garant für das Überleben von Unternehmen, da die Konkurrenz und  das Floprisiko von Markteinführungen groß sind. „Disruptive“ Innovationen und auch vermeintlich sicher geglaubte Geschäftsmodelle von heute können morgen schon alt und abgelöst sein. Um diesen Gefahren des Scheiterns zu begegnen, muss das Produkt- und Innovationsmanagement ebenso wie das Customer Intelligence Management ganzheitlich betrachtet werden. Zum einen müssen zu entwickelnde Produkte und Services direkt an den Bedürfnissen (Needs)  der intendierten Verbraucher orientiert werden. Zum anderen muss die Kundenreaktion auf diese neu entwickelten Produkte und Services analysiert werden um  Chancen und Gefahren dieser disruptiven Angebote rechtzeitig zu erkennen und das unternehmerischen Handelns darauf abzustimmen.

Freiwillig durch Internetnutzer in DSM wie z.B. Instagram, Twitter, YouTube, Reddit, Amazon , Spotify und Co.,  veröffentlichte nutzergenerierte Inhalte (UGC) wie z.B. Videos, Bilder, Kommentare, Diskussionen , Bewertungen,  Tutorials und Playlist bieten Einblicke in die Gedanken und Meinungen von Verbrauchern. Diese Informationen sind für den Erfolg von Produkten und Services und damit für Unternehmen von großem Wert, da Verbraucher nutzergenerierte Inhalte zu Konsumentscheidungen heranziehen.

Eine starke Konsumentenperspektive und ein tiefes Verständnis der Nutzerbedürfnisse im Rahmen des Innovation-Prozesses im Allgemeinen und der Ideationsphase im Besonderen helfen  dabei, Risiken und Unsicherheiten zu minimieren und dadurch den Produkterfolg maßgeblich positiv zu beeinflussen.  Denn Entscheidend für den Erfolg eines Neuproduktes ist es vorauszusehen, was potenzielle Verbraucher tatsächlich benötigen, d. h. welche Produkte sie tatsächlich bereit sind zu kaufen. Aus diesem Grunde sollen DSM und insbesondere der dort veröffentlichte „User Generated Content“  (UGC) zur eine „Datafizierung“ der Ideation und Produktentwicklung genutzt werden indem Kundenbedürfnisse und wünsche automatisch extrahiert werden.  An die Stelle von Bauchgefühl und kreativen Eingebungen treten dann quantitativ erhobene, qualitativ aufbereitetet Wünsche, die aus der Kommunikation der potentiellen Kunden herausgefiltert werden.  Zu diesem Zweck sollen bestehende Methoden der Texterkennung weiterentwickelt werden in Richtung einer „linguistische, assoziative, kontext-berücksichtigende Wortklassen-Sequenzmuster-Erkennung“ um  im Ergebnis ein „Needmining“– eine quantitative, objektive Erfassung von Bedürfnisse potenzieller Kunden-  auf Basis von UGC zu ermöglichen.

Visuelle Markenpräsenz in digitalen sozialen Medien

(Mark Heitmann , Christian Barrot, Henrik Sattler, Detlef Schoder)

Da DSM zunehmend von visuellen Inhalten geprägt werden, soll die Analyse textbasierter Kommunikation in DSM in der zweiten Förderphase um die Analyse markenbezogener visuelle Kommunikation erweitert werden.

Nutzer hinterlassen im Sinne des Datafication-Phänomens gemäß Industrieschätzungen täglich über 3,2 Milliarden Fotos in DSM wie Instagram, Twitter, Snapchat, Pinterest, Facebook oder WhatsApp (Meeker 2016). Insofern erscheint mit der visuellen Markenpräsenz in sozialen Medien ein substanzieller Informationsumfang vorzuliegen, dessen betriebswirtschaftliche Bedeutung aber bislang keinen wissenschaftlichen empirischen Analysen unterzogen wurde. Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten Förderphase soll die Marketingrelevanz dieser in DSM-Bildern enthaltenen Informationen im Rahmen der zweiten Förderphase umfassend untersucht werden. Ziel ist es, die Verbreitung von Markenlogos in sozialen Medien und deren Wirkung zu verstehen, um Unternehmen zu befähigen, ihre visuelle Markenpräsenz in sozialen Medien mit entsprechenden Kampagnen zu optimieren und durch ein Tracking sozialer Medien frühzeitig Informationen über Veränderungen der visuellen Markenpräsenz eigener und konkurrierender Markenlogos zu erhalten. Dabei soll insbesondere den Fragen nachgegangen werden, welche Faktoren die Verbreitung von Markenlogos in DSM begünstigen und welchen Effekt die visuelle Markenpräsenz auf Erfolgsfaktoren wie Markenbekanntheit und Markenimage hat.